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Eines der häufigsten von Klienten in der spirituellen Praxis geäußerten Anliegen ist der Wunsch nach einer Herzöffnung.
Sie erleben ihren Alltag oft als emotional unbefriedigend und distanziert und erfahren sich selber als wenig liebevoll, wertschätzend oder annehmend.
Als Verursacher wird dann meist das verschlossene Herz vermutet zusammen mit der Hoffnung, ihr Problem würde sich auflösen, wenn das Herz wieder spirituell ordentlich funktioniere.
Diese Vorstellung beruht meiner Meinung nach auf einem Missverständnis über die Natur energetischer Prozesse. Der grundlegende Irrtum hierbei ist die Idee, das Herz aktiv öffnen zu können, Macht und Kontrolle über das Herz haben und es dem Willen und dessen Vorstellungen unterwerfen zu können. Er führt dazu, dass wir dem Herzen mit einer Haltung begegnen, die tatsächlich der Grund für das Gefühl des verschlossenen Herzens ist – ein wahrer Teufelskreis.
Was geschieht, wenn wir dem Herzen unsere Vorstellung davon, wie sich eine Öffnung anfühlen soll, aufzwingen?
Jede Vorstellung geschieht ausschließlich im Kopf, in den Gedanken. Doch die Gedanken können grundsätzlich nichts über den Raum des Herzens wissen, ist dieser doch für den Ego-Verstand unerreichbar. Jeglicher Zustand des Herzens kann nicht gedacht, sondern nur gefühlt werden. Die Gedanken können nur Erinnerungen über längst vergangene Zustände konservieren und daraus ein mentales Objekt konstruieren, das dieses Gefühl wiederherstellen soll. Es bleibt dennoch nur eine Vorstellung, die nicht auf der Natur des Herzens beruht.
Wir haben unserem Herzen keine Anweisungen zu erteilen,
wir haben unserem Herzen zu fogen.
Wenn man nicht mit den Gesetzmäßigkeiten der inneren Arbeit vertraut ist, erscheint die Idee eines offenen Herzen erst einmal als Ausweg aus dem Leiden.
Deshalb fangen wir an, diesen Zustand zu begehren.
Aber leider führt dich jede Begierde weg von dir und damit auch weg von deinem Herzen .
Es ist egal, ob du eine Millionen Euro, eine Villa am Wannsee, den perfekten Partner oder eine Herzöffnung begehrst – es sind alles nur Vorstellungen in deinem Kopf.
Deine Phantasie von einer Herzöffnung ist nur eine Fiktion, ein Traum. Gedanken, die sich der Kopf über das Herz macht. Aber der Kopf weiß gar nichts über das Herz.
Jeder Versuch, diese Vorstellung in die Realität umzusetzen, ist ein direkter Angriff auf das Herz.
Er ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt und wird dich nur noch tiefer ins Leiden führen.
Wie mit einem kalten Laserschwert konzentrierst du deine mentale Energie auf den Raum des Herzens und schneidest mit deinen Vorstellungen blind darin herum.
Ein solches Verhalten kann niemals eine Herzöffnung bewirken.
Der Kopf, der nur der Diener des Herzens sein kann, schwingt sich zum Herrscher auf.
Dein Herz gehört nicht dir – du gehörst deinem Herzen.
Wahre Liebe, die Liebe des offenen Herzens, kann nicht besessen werden, kann niemals dein Eigentum sein.
Du wirst von ihr in Besitz genommen, löst dich in ihr auf und verschwindest darin.
Das ist die große Angst vor der Herzöffnung.
Was können wir also tun?
Die Antwort ist ganz einfach: Nichts.
Jedes Tun kommt aus einem Wollen des Verstandes und kann nicht ins Herz führen. Erst wenn wir alles Tun, das Herumpfuschen in unserem Herzensraum unterlassen, kann sich ETWAS tun. Doch dieses Tun ist nicht von uns gemacht, es tut sich selber als natürlicher Fluss des Lebens in dir. Sobald du aufhörst dich einzumischen, fließt der Strom des Lebens ungestört zurück in die unbeschreibliche kosmische Harmonie.
Wenn du etwas tun willst, zieh dich aus deinem Herzen zurück und lass es in Ruhe.
Dann findest du die Herzöffnung vor.
Doch sie fühlt sich absolut nicht so an, wie du es dir vorgestellt hattest. Jetzt erkennst du, dass jede Vorstellung reine Zeitverschwendung ist
Der Versuch das Problems zu lösen war selber das Problem – was für ein kosmischer Witz.
„Es ist das Herz, das die ursprüngliche Ewigkeit jedes Lebewesens kennt“.
Hildegard von Bingen
Der Sanskrit-Name für das Herz-Chakra „Anahatta“ bedeutet „Das Unverwundbare“. Darin liegt eine tiefe Erkenntnis.
Ganz gleich ob dein Herz verschlossen oder verwundet ist – starre nicht dorthin, versuche nichts zu verändern, zu heilen oder zu unterstützen. Fühle einfach was du fühlst, zieh deine Ideen und Konzepte zurück und erlaube dem Herzen, zu sein was es ist, ohne ein Gefühl abzulehnen oder heranzuziehen.
Es gibt keine falschen Gefühle. Alles was das Herz fühlt ist richtig.
Was du fühlst ist bereits das, was du fühlen sollst. Wenn du also ein verschlossenes oder verwundetes Herz spürst – perfekt.
Lass es verschlossen oder verwundet sein. Spüre einfach, wie es sich anfühlt, ohne es anders haben zu wollen. Drücke dein Ich nicht dort hinein, denn dieser Raum gehört nicht dir.
Die Herzöffnung ist ein ganz natürlicher organischer Prozess, vergleichbar mit einem Sonnenaufgang oder dem Erblühen einer Blume. Erlaube dem Schmerz sich zu entfalten und lass ihn erblühen sodass er eines Tages saftige Früchte des Mitgefühls tragen kann.
„Die Heilung des Schmerzes liegt verborgen im Schmerz“
Rumi
Das Herz wird sich selber heilen sobald du aufhörst dich einzumischen.
Wenn du es mit seinen Wunden oder gar verschlossen akzeptierst, hat es die Kraft, sich über alle Wunden zu erheben und zurück zu sich selbst zu finden.
Man braucht ein wenig Übung, um mitzubekommen, wo man sich in den natürlichen Fluss des Lebens einmischt und mit dem Denken in tiefere Bereiche eindringt, wo es nichts zu suchen hat.
Das Ego nutzt jede Möglichkeit, um diese Herzöffnung zu verhindern und es gibt sich auch nach der Herzöffnung nicht geschlagen. Es wird alles versuchen, um die Kontrolle über dein Herz zurückzugewinnen. Doch dazu später mehr.
Die Erfahrung einer Herzöffnung, wenn plötzlich die ganze Welt in Liebe getaucht ist, das Licht aus dir und allen Dingen heraus leuchtet und das Leben wieder einen Sinn ergibt, ist so überwältigend, dass es manchmal schwerfällt, damit im Alltag umzugehen.
Denn in diesem Zustand kannst du dich selber nicht mehr belügen. Wenn du es doch versuchst, spürst du es unmittelbar und schmerzvoll in deinem Herzen.
Du erkennst, dass dein bisheriges Leben das Resultat eines verschlossenen Herzens ist und nur mit einem geschlossenen Herzen so weitergelebt werden kann.
Um weiterzumachen wie bisher müsstest du dein Herz betrügen.
Vielleicht bemerkst du, dass du deinen Partner nicht liebst und es dir schadet, eine lieblose Beziehung aufrechtzuerhalten.
Vielleicht kannst du deinen Beruf nicht mehr ausüben, den du aus rationalen Gründen gewählt hast und der nirgends deine Herzenswahrheit, deine Leidenschaft und tiefere Einsicht reflektiert.
Eventuell bricht dein Freundeskreis weg und die neuen Freunde, die zu deiner jetzt wahrhaftigen Schwingung passen sind noch nicht da.
Geduld, warte ab – sie hatten einfach noch nicht genügend Zeit, dem Ruf deines Herzens zu folgen.
Dein bisheriges Leben entgleitet dir und deine Fähigkeit zur Hingabe entwickelt sich gerade erst, ist noch schwach und unbeholfen.
„Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“
Jesus
Wir müssen wieder ganz von vorne beginnen, lernen wie Kinder zu leben. Diesmal können wir keine Kompromisse mehr machen, unsere Wahrheit nicht mehr verraten. Wir können uns einer kranken und verlogenen Gesellschaft nicht mehr anpassen und unterordnen. Dann wird uns bewusst, dass wir uns nicht mehr in der Masse der anderen Schafe verstecken können und einige Konflikte auf uns zukommen werden.
Die Herzöffnung gibt es nicht zum Nulltarif.
Wir können diese wahrhaftige Liebe nicht kontrollieren. Je mehr wir ihr erlauben, durch uns zu strömen, desto mehr übernimmt sie unser Leben.
Doch wohin wird sie uns führen?
Sind wir stark genug?
Sind wir bereit, diesen Preis zu bezahlen?
Vielleicht kommen erste Zweifel auf, da es fast unmöglich erscheint, mit einem offenen Herzen zu leben.
Daher halten die meisten Herzöffnungen auch nicht lange an.
„Unsere tiefste Angst ist es nicht, ungenügend zu sein.
Unsere tiefste Angst ist es, dass wir über alle Maßen kraftvoll sind.
Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, das wir am meisten fürchten“
Nelson Mandela
In dieser Phase kann es vorkommen, dass wir uns das frühere Leben und die altvertraute Kontrolle des Verstandes zurück wünschen. Jetzt gaukelt er uns vor, uns immer gut beschützt zu haben.
Das ist die Gelegenheit, auf die das Ego wartet.
Und es hat verschiedene Tricks auf Lager, um die Kontrolle über dein Herz zurückzugewinnen.
Einer davon ist, das bedingungslos und frei in alle Richtungen strahlende Licht der Herzöffnung auf ein Objekt als scheinbare Ursache dieser Öffnung zu fokussieren.
Manche erschaffen sich eine unerfüllbare Lovestory, in die sie alle ihre noch unerlösten Hoffnungen und Sehnsüchte hinein projizieren. Naturgemäß werden diese nicht unerfüllt und die anschließende Enttäuschung als Vorwand genutzt, das Herz wieder zu verschließen.
Aucgh ist eine Herzöffnung ist nicht selektiv, nicht auf angenehme Gefühle beschränkt. Die Tür des Herzens öffnet sich grundsätzlich für alle Gefühle, die das Herz empfinden kann und mit dem Licht steigt immer auch der Schatten nach oben.
Nach der glückseligen Anfangsphase voller Licht und Liebe wird die Sicht klarer und erblickt auch all die Ursachen des einstigen Verschlusses. Scham, Schuld, Angst oder Selbstablehnung sind immer noch da und warten darauf, angeschaut und erlöst zu werden.
Diese Phase scheint das genaue Gegenteil der Herzöffnung zu sein. Nicht wenige glauben, sie hätten sie wieder verloren und geben sich selber die Schuld dafür. Sie fangen an mit dem Kopf nach den Ursachen ihres Versagens zu forschen und dringen mit dem Verstand wieder in den Raum des Herzens ein um genau dort zu stehen, wo sie am Anfang dieser Reise standen.
Dabei ist die Herzöffnung gar nicht verloren gegangen – sie hat sich einfach nur vertieft.
Denn mit ihr geht die Reise in die unermesslichen Mysterien des Universums erst los, immer tiefer und tiefer ins Herz des Seins abtauchend.
In der spirituellen Therapie bringen wir Licht und Klarheit in diese unbewussten Vorgänge. Du gewinnst das Vertrauen, dich dem Fluss deines Lebens hinzugeben und mit ihm in Richtung Ozean zu strömen, der endgültigen Vereinigung entgegen.
Das ist die Bedeutung von Unio Mystica – die Vereinigung mit dem Göttlichen in dir.
Manik, Oktober 2016
ich kann es mittlerweile wunderbar akzeptieren, nicht liebevoll zu sein. und genau dann bin ich sehr liebevoll zu mir selbst. es ist also nie so wie es scheint. aber so lange mich leichtigkeit umgibt ist alles richtig.
Du sprichst mir aus dem Herzen !<3 Danke ,wie oft höre ich den Satz ":Ach, ich war gerade nicht im Herzchakra "oder" Da war ich voll im Herzchakra,da war es ganz leicht " !-Als wenn das Herzchakra ein Vehikel zum ein und aussteigen ist !
DANKE, dein Text hat gerade meinen Nebel etwas gelichtet und mich ein Stück weitergebracht :-)))
Ein wunderbarer Text, der für mehr Klarheit unterstützend wirkt. Danke für deine Inspiration.