Eines der Merkmale unserer technisch-metallischen Kultur, die sich fast vollständig von dem natürlichen Fluß der Dinge abgespalten hat, ist die Erfahrung vieler Menschen, ihr Herz verloren zu haben.
Das Herz hat für den Erfolg in der Ellenbogen-Gesellschaft des Raubtier-Kapitalismus keinen Nutzen.
Für die Umsetzung vieler Karrierepläne ist es sogar äußerst hinderlich.
Und so versuchen schon Jugendliche sehr früh, sich an die Gegebenheiten ihrer Kultur anzupassen und „cool“ zu sein.
Cool sein heißt, nichts zu fühlen, nicht berührbar zu sein, nicht mehr auf sein Herz zu hören, es nicht mehr zu spüren und damit letztendlich zu verlieren.
Dies ist ein ganz natürlicher Ablauf – was du nicht benutzt wird zurückgebildet, denn offensichtlich brauchst du es nicht.
“Use it, or loose it” – das gilt für Muskeln, die nicht trainiert werden, genauso wie für das Herz.
Jeder der schon einmal einen Gipsverband hatte und seinen Arm oder sein Bein lange nicht bewegen konnte, kann dieses Naturgesetz aus eigener Erfahrung bestätigen.
In der Tat gehen die allermeisten Menschen mit einem gefrorenen Herzen durchs Leben. Das, was einst voller spiritueller Lebenskraft und Vitalität pulsierte, ist nun nur noch ein kalter harter Stein in der Mitte des Brustkorbs.
Es gibt sogar Menschen, die behaupten, das spirituelle Herz sei nichts als ein Mythos – das Herz sei nur eine Pumpe.
Tatsächlich ist das Erwachen des spirituellen Herzens ein Phänomen, dass wenig bis gar nichts mit deinen bisherigen Erfahrungen von sogenannter Liebe zu tun hat. Diese bestehen meist aus Verlangen, Sehnsucht und Begehren und gleichen bei genauerem Hinsehen mehr einem Schmerz oder einem Rausch als dem Ausdruck wahrhaftiger Liebe.
Das spirituelle Herz hat nichts mit dem Herzen zu tun, das uns aus Hollywood vorgetäuscht wird. Doch leider haben die meisten Menschen sogar das Lieben in der Lindenstraße gelernt und versuchen nun, diese Pseudo-Erfahrung nachzubauen und das Konzept eine Fake-Liebe ihrem Herzen aufzuzwingen.
Eine Erfahrung, die ihnen von professionellen Darstellern gegen Bezahlung vorgetäuscht wird. Sie hat in der Realität niemals existiert.
Die Liebe, die dir im Kino präsentiert wird, gibt es nicht. Sie ist das Phantasieprodukt vollgedröhnter Koksnasen, die wahre Liebe nie erfahren haben. Die ihre unreflektierten Hoffnungen und Sehnsüchte in Geschichten verpacken und in Drehbüchern artikulieren.
Ich habe lange genug in der Filmbranche gearbeitet und mir deren Protagonisten genau angeschaut. Außer unendlich viel Neid, Gier, Narzissmus und seelischen Verwüstungen habe ich da nichts wahrnehmen können, was man als herzlich beschreiben könnte.
Die Herzöffnung findet in einem so andersartigen inneren Raum statt als alle deine sonstigen Erfahrungen, dass du es schwerlich in Worte fassen kannst.
Wenn du schon einmal das Gefühl des Verliebtseins erfahren hast, wird dir sicher auch aufgefallen sein, dass diese Erfahrung etwas Besonderes, Ehrliches und Authentisches an sich hat.
Sie ist realer, existenzieller, unmittelbarer und völlig anders, als alle von deinem Kopf erschaffenen gedanklichen Phänomene.
Wenn dich jemand, der noch nie verliebt war, bittet, ihm dieses Gefühl zu erklären, damit er das Verliebtsein in sich reproduzieren kann, wirst du ihm wahrscheinlich erklären, dass Verliebtsein nichts ist, was man machen kann. Es ist etwas, das man nur zulassen und geschehen lassen kann.
Und genauso verhält es sich mit dem Herzerwachen.
Verglichen mit dem Herzerwachen ist Verliebtsein nur ein kurzes Aufleuchten deines wahren Potentials. Im Verliebtsein richtest du den Strahl deines Herzens unbewusst auf nur einen einzigen Menschen.
In der Herzöffnung öffnest du dein Herz bewusst für die gesamte Existenz.
Wenn du also nichts dafür tun kannst, was kannst du dann überhaupt machen?
Wie machst du eine Herzöffnung?
Du kannst es nicht machen, aber du kannst definitiv aufhören, es zu verhindern.
Und dazu musst du erst einmal verstehen, wie du es verhinderst.
Zuerst einmal muss verstanden werden, dass du dein Herz nicht öffnen kannst.
Es liegt einfach nicht in deiner Macht, dein Herz willentlich zu öffnen und bei Belieben wieder zu verschließen.
Das Herz ist nicht deinem Willen, deinem Kopf untergeordnet.
Dein Herz wird niemals der Diener deines Kopfes sein.
Es ist der wahre Herrscher, die Sonne in deinem inneren Universum.
Aber es handelt nicht nach den Regeln des Verstandes, denn es ist sich seiner überwältigenden Größe sehr bewusst.
Es erlaubt dir freimütig, alle möglichen mentalen Ego-Spielchen zu spielen und sogar darüber zu phantasieren, das Herz erobern und zu beherrschen zu können.
Doch die Sonne scheint einfach. Sie kümmert es nicht, ob du dich in ihren Strahlen wärmst oder ob du dich aus Angst vor ihrer Allmacht in die dunkle Höhle deines Ego-Verstandes versteckst und darüber jammerst, wie kalt und dunkel die Welt ist. Du darfst in deiner dunklen Höhle sogar davon träumen, die Sonne zu erobern.
Glaubst du, dass die Sonne das interessiert?
Glaubst du, dein Herz interessiert es, welche Gedanken du in deinem Kopf produzierst?
Nicht dein Herz muss sich öffnen.
Du musst dich deinem Herzen öffnen.
In der Tat ist der Versuch, die Herzöffnung willentlich herbeizuführen, das Herz vom Kopf her in die Öffnung zu zwingen, genau das, was deine Öffnung zum Herzen verhindert.
Auch die weitverbreitete Vorstellung, die Vorgänge in deinem Herzen mental verstehen zu müssen ist nur eine weitere Strategie des Ego, die Kontrolle über das Herz zu gewinnen.
Denn jedes verstehen wollen, jedes be-greifen wollen, ist ein besitzen wollen, ein etwas-damit-machen und manipulieren wollen.
Es ist der offensichtliche Versuch, das Herz dem Willen des Ego zu unterwerfen.
Wenn man das einmal verstanden hat, kommt die Frage auf, wie ich diesen unbewussten Mechanismus unterbinden kann.
Die Antwort ist relativ einfach.
So wie alles, was die natürliche Ordnung unterstützt, immer einfach und mühelos ist.
Deine Öffnung zum Herzen wird erst möglich, wenn du aufhörst, in dir selber herum zu pfuschen.
Wenn du deine mentale Aufmerksamkeit vom Herzen wegnimmst und konsequent auf etwas anderes richtest, wird die Energie aus der Unterdrückung abgezogen.
Denn in der Regel ist deine Aufmerksamkeit, solange sie noch unbewusst ist, nichts anderes als der scharfe, strafende und urteilende Blick des Ego.
Du kannst zum Beispiel jeweils 5 Minuten morgens und abends im Bett deine gesamte Aufmerksamkeit auf das Heben und Senken der Bauchdecke beim Atmen ausrichten.
So gehst du mit deiner Aufmerksamkeit nicht mehr zu deinem Herzen.
Und doch werden die Vorgänge im Herzen wahrgenommen, aber auf einer völlig anderen Bewusstseinsebene. Sie werden nicht mehr von dem kalten, harten Strahl deiner mentalen und urteilenden Aufmerksamkeit fokussiert.
So kann das Herz sich von deinem Zugriff befreien.
Wenn du die mentale Aufmerksamkeit vom Herzen weglenkst, bleibt doch eine tiefere Aufmerksamkeit, eine unpersönliche, nicht ich-hafte Wahrnehmung vorhanden. Buddha nannte dieses Bewusstsein Anatta – nicht selbst.
Etwas wird wahrgenommen, aber du richtest nicht deinen mentalen Strahl darauf.
Wahrscheinlich wird das Herz sehr schnell anfangen weh zu tun, weil die Schmerzen, die du über Jahre in dein Herzen gedrückt hast, jetzt sichtbar werden.
Anfangs wird der Impuls sehr stark, dort wieder hinzugehen und einzugreifen, um die Dinge zurecht zu rücken. Dieser alten Gewohnheit, dich wieder einzumischen und Unordnung in dein System zu tragen, musst du widerstehen. Richte dich in dem Fall noch bewusster und stärker auf die Bauchatmung aus und erlaube dem Schmerz in deinem Herzen, sich auszudehnen.
Jedes Hingehen ist ein Greifen in das Herz. Hier geht es aber um Hingabe, nicht um Einmischen.
Das braucht ein wenig Übung und dauert auch seine Zeit.
Aber dadurch kann der Schmerz im Herzen abfließen und das Herz kann sich ausdehnen, sich vom Schmerz befreien und sich öffnen.
Denn auch der Schmerz, die Angst, der Druck und alle anderen unerwünschten Gefühle sind bereits die Sprache des Herzens.
Wenn du es dauerhaft schaffst, dich nicht in sein Herz einzumischen, öffnet es sich von selber.
Es ist das tiefste Bestreben des Herzens sich zu öffnen. Das Einzige was es verhindern kann, ist dein Eingreifen.
Der christliche Mystiker Meister Eckhart aus dem 12 Jahrhundert sagte einmal: „Wenn du Gottfinden willst, musst du dich loslassen“
Lass dich los, lass deine Vorstellungen und Meinungen, deine Vorlieben und Abneigungen los.
Wie kommst du darauf, mit deinen mentalen Vorstellungen und Meinungen in ein Feld hineinzugehen, von dem du absolut keine Ahnung hast? Welche Hilfe könnten dir dort deine Meinungen und Ansichten geben?
Die Aussage von Jesus „Wenn ihr das Reich Gottes finden wollt, müsst ihr wieder werden wie die Kinder“ deutet genau in diese Richtung.
Kinder gehen völlig unbefangen und ohne vorgefertigte Meinungen in neue Erfahrung hinein.
Genau deswegen sind sie so offen, haben so unendlich viel Freude am Leben und lernen so unglaublich schnell.
Meinungen und Vorstellungen sind Ausdruck eines erstarrten und verhärteten Geistes. So ein Geist ist kein Entdeckergeist, er ist nicht offen für neue Erfahrungen. Und er kann keine Lebensfreude empfinden, denn nichts wird jemals seinen Vorstellungen entsprechen.
Das Leben ist nicht dafür da, deine Erwartungen zu erfüllen.
Das Leben ist lebendig, spontan und gegenwärtig – es hat nicht das geringste Interesse an deinen toten Idealen, die du alle aus längst vergangenen und wahrscheinlich falsch verstanden Erfahrungen angesammelt hast.
Lass dich los.
Hingabe an das Herz ist der einzige Weg, der in die Herzöffnung führen frühen kann.
Die Herzöffnung ist ein Raum, in den du hineinfällst. In diesen Raum kannst du den Ballast des Kopfes nicht mitnehmen.
Du kannst dein Ich-Bild, das wofür du dich hältst, weil andere dir gesagt haben, dass du so bist, dort nicht beibehalten.
Wenn du bereit bist, rückwärts mit geschlossenen Augen in einen Abgrund zu fallen, bist du auch bereit für die Herzöffnung.
Aber die gibt es nicht zum Nulltarif.
In der Herzöffnung wirst du viele Handlungen und Tätigkeiten nicht mehr ausüben können.
Du kannst nicht in einem Schlachthof arbeiten, als Banker hilflose Rentner um ihrer Ersparnisse betrügen oder als Ladenbetreiber deinen Kunden unverdaulichen Dreck andrehen.
Du kannst anderen Lebewesen kein Leid mehr zufügen und auch keinen Spaß daran finden, wenn andere dies tun. So wirst du das meiste, was die Musik- und Filmindustrie dir als Kultur aufschzuwatzen versucht, nicht mehr ertragen und keinen Gangsta-Rap mehr hören und keine Killerfilme mehr anschauen können.
Osho hat mal gesagt: “Eure Kunst ist Ausdruck eures kranken Geistes”
Du wirst deine Kollegen nicht mehr mobben und deinem Chef nicht mehr in den Arsch kriechen können.
Du wirst es nicht einmal mehr mit deinem Gewissem vereinbaren können, in einem Unternehmen zu arbeiten, dass solchen Geschäftspaktiken nachgeht. Und du wirst deine Gewissensentscheidung konsequent umsetzen, ohne dich aus der Verantwortung stehlen zu können, weil du dir einredest nur im Marketing oder im Sekretariat zu arbeiten und selber nicht direkt beteiligt zu sein.
Du kannst dir nicht mehr bei einem veganen Bio-Cafe-Latte im chicken Szenecafe in Mitte selber vormachen, ein cooler urbaner Hipster zu sein, während du gleichzeitig in deiner hippen und herzlosen Agentur die nächste Kampagne für Monsanto vorbereitest.
All diese Handlungen sind nur mit geschlossenem Herzen möglich und all diese Handlungen verschließen das Herz.
Beides bedingt sich gegenseitig.
Kurzum, du kannst dich nicht mehr selber belügen.
Wenn dein Herz erwacht, kannst du nicht mehr Teil der kranken Gesellschaft sein und wirst es auch nicht mehr wollen.
Deiner Karriere in dieser Welt wird das nicht zuträglich sein.
Wenn die Herzöffnung passiert, wird sich vieles in deinem Leben ändern und darauf muss du vorbereit sein.
Die meisten Menschen wollen zwar die schönen süßen Seiten der Herzöffnung haben, sind jedoch nicht bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen und die Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Freiheit gibt es nicht zum Nulltarif, gibt es nicht ohne Verantwortung.
Verantwortung ist die Wurzel der Freiheit.
Du bist für alles verantwortlich, denn alles was du anderen Lebewesen antust, tust du dir selber, tust du deinem Herzen an.
Heißt das im Umkehrschluß auch, dass mein Herz zumindest schon teilweise offen ist, wenn ich schon seit knapp 10 Jahren nicht mehr dazu bereit bin, an dem Ast mitzusägen, auf dem wir alle buchstäblich sitzen, obwohl ich – v.a. seit ich Mutter bin und seither (3 Jahre, von Anfang an alleinerziehend) permanent an meiner physischen wie auch nervlichen Belastungsgrenze entlangschramme – des öfteren an meinen Empathiefähigkeiten Mitmenschen gegenüber zweifle?
Und wie kann ich auch bei permanentem extremem Schlafmangel (Kind will nachts immer noch alle ca 2h stillen und tagsüber noch nicht von anderen betreut werden) die nötige Achtsamkeit aufbringen, um mich den mir in der Kindheit und Jugend ungefragt aufgebürdeten Rucksäcken anderer endlich wieder zu entledigen?
Aus meiner subjektiven Sicht würde ich das so verstehen. Wer sagt dir denn, dass du nicht mehr an dem Ast sägen sollst, wenn nicht deine Herzensweisheit. Viele Handlungen und Haltungen gehen dann einfach nicht mehr.
Ich hatte viele Jahre beruflich in der eiskalten stählernen Businesswelt mit Menschen aus der Politik und dem Finanzsystem zu tun. Die hatten nicht einmal eine Vorstellung, dass wir an unserem eigenen Ast sägen. Und selbst wenn, hätte es sie wahrscheinlich kaum interessiert. Die haben oft nicht einmal eine Ahnung, dass ihnen vielleicht ihr Herz abhanden gekommen sein könnte. Vegetarier fanden sie ebenso lächterlich wie “Baumumarmer” und Meditation waf etwas für Spinner.